Salon

„Das Bild vor dem inneren Auge ist ja immer das, worum es letztendlich geht.“

Vom Film zum Hörstück. Durch die Kooperation zwischen der doku.klasse und dem Deutschlandfunk Kultur konnten bereits mehrere Feature-Stücke aus den Dokumentarfilmprojekten der Reihe „Ab 18!“ entstehen. In diesem Jahr hat der Autor Jonas Heldt seinen Film „Seda baut Autos“ für das Radio-Feature „Automotive“ bearbeitet. Christian Kosfeld spricht mit ihm über seine Herangehensweise.

Hast Du neben deiner Arbeit an Dokumentarfilmen bereits für das Radio und an Audio-Formaten gearbeitet?
Ich war schon Radio-Autor, bevor ich richtig beim Dokumentarfilm eingestiegen bin. Ich finde, da ergeben sich immer schöne Überschneidungen zwischen diesen beiden Formen. Also das dokumentarische Erzählen habe ich mir ein bisschen über das Hören angeeignet. Und deswegen kam mir diese Kooperation mit do-xs! sehr entgegen, weil ich mir auch oft bei einem Kinobild denke: Eigentlich ist die Sprache eines Films ja das, was zwischen den Bildern geschieht, und so empfinde ich das beim Hören. „Automotive“ ist das zweite Mal, dass mit einem Film ein Radiostück entsteht.

Wie hast Du die Kooperation mit der doku.klasse 2019 in Duisburg erlebt, hat Dir das Impulse gegeben, Ideen für das Film- und das Feature-Projekt?
Ich bin jemand, der gerne Feedback hat. Mit der doku.klasse gab es Bereicherungen auch im Schnitt-Prozess. Im Treatment zum Beispiel stand, dass meine Protagonistin noch einen Nebenjob hat, dass sie nach fünf Nachtschichten pro Woche noch eine Nachtschicht an der Tankstelle macht, um sich einen Mercedes zu kaufen. Und als ich das erzählt habe, haben die Leute aus der doku.klasse gesagt, das finden sie total spannend und wichtig, dass das im Film ist. Das hat also ganz konkret Regie-Entscheidungen beeinflusst. Es gab natürlich auch Input, den ich so nicht übernommen habe.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Feature-Redaktion beim Deutschlandradio, habt Ihr das Radiostück zusammen entwickelt, ausgehend von Deinem Film?
Katrin Moll und Ingo Kottkamp kannte ich schon vorher. Es war so, dass ich schon wusste, was die Kino-Fassung ist, und dann haben wir besprochen, was für das Feature besser funktionieren könnte, und haben auf der Grundlage nochmal neue Aufnahmen gemacht mit den beiden Protagonistinnen und eine eigene Dramaturgie erarbeitet.

Wir sehen die beiden Protagonistinnen Seda und Eva in ihren sehr unterschiedlichen Welten, auch die Menschen, die um sie herum sind, Mitarbeiter, die Familie, Freundinnen. Ich hatte beim Hören des Features den Eindruck, dass Du den O-Tönen und Atmos sehr vertraust, dass sie viel von diesen unterschiedlichen Welten und Menschen, wie und wo sie sprechen, transportieren können.
Das war ein grundsätzlicher Ansatz, dass ich sage: Ich als Autor muss die Welt nicht erklären, sondern ich kann Welten schildern, aber sie zu interpretieren, ist etwas, wo man der filmischen oder Hörstück-Form vertrauen muss. Es vermittelt sich eine Atmosphäre, es vermitteln sich verschiedene Arten des Sprechens. Ich möchte die Erklärungen denen überlassen, die vor der Kamera, vor dem Mikrofon sind, Seda oder Eva.
Im Film stellt sich viel über die Bilder von technischen Abläufen und Sedas Arbeitswelt her. Manche Geräusche aus dieser technischen Welt lassen sich im Feature akustisch gar nicht entschlüsseln. Wie bist du mit Geräuschen und Atmos umgegangen?
Ich glaube, ein spielerischer Umgang mit den Formen ist eine gute Voraussetzung. Ich glaube, dass ich in der Radioform eine enorme Freiheit habe. Diese Welt von Autoteilen fand ich visuell und akustisch spannend. Wir haben ganz viel aus den Geräuschen gemacht, die Musik und die Songs sind aus den Geräuschen entstanden. Da wurde aus so einem Klackern eine Snare, und da haben wir drei Wochen im Studio gesessen und haben Musik daraus komponiert. Und ich glaube, ab da schärft sich der Fokus: Dieses Wort soll hier fallen und dieses Geräusch ist an dieser Stelle wichtig, und das passt jetzt in das Stück, weil man vielleicht gerade diese Welt auch nicht mehr versteht. Diese Headset-Stimme zum Beispiel, die Seda in der Nachtschicht hört, die ist unglaublich schnell. Seda ist geübt darin, die zu verstehen, ich habe da kein Wort verstanden. Das fand ich interessant: Das ist ja wieder eine Sprache, die anders ist!

Ich hatte den Eindruck, dass die Musik im Feature exponierter und motivischer eingesetzt ist als im Film.
Das stimmt. Ich finde das spannend, bei so einer Technikwelt zu überlegen, wie klingt die musikalisch, und was war da auch schon in den 70er-, 80er-Jahren? Vielleicht erkennt der eine oder die andere was wieder, wie sich da der Mensch in einer Roboterwelt wiederfindet.

Du hast noch eine geflüsterte Frauen-Stimme eingebaut ins Feature, warum?
Ich bin auf die ASMR-Stimmen (Autonomous Sensory Meridian Response) gestoßen, das sind meistens Stimmen von jungen Frauen und Geräusche, die helfen sollen, besser einzuschlafen und Ruhe zu finden. Ein kompletter ASMR-Strang waren Job-Interviews. Und das fand ich interessant: Es gibt Leute, die sich ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch anhören, wie das laufen könnte. Das war für mich sehr treffend, um das Stück atmen zu lassen und auf Distanz zu gehen.

Wirst Du weiterhin parallel arbeiten, Film-Hörfunk-Feature?
Das ist in meinem technischen Ansatz immer mitgedacht. Ich versuche, die Aufnahmen so zu gestalten, dass sie auch räumlich funktionieren, und ich denke das nie von der endgültigen Form her, sondern ich suche mir einen Stoff, der mich reizt. Daraus kann ich verschiedene Formen machen, was sich vielleicht auch ergibt. Der Anfang unseres Gesprächs hat sich auf die grundsätzliche Sprache von Film oder Kino bezogen, und die kann für mich auch im Hören stattfinden. Das Bild vor dem inneren Auge ist ja immer das, worum es geht letztendlich.