Atelier

„Das war direkt so: Yo! Faust aufs Auge.“

Die doku.klasse zeigt sich beeindruckt von Katharina Pethkes Exposé „Dazwischen Elsa“ (AT). Das Gefühl, das der Text beschreibt, kennen viele in der Gruppe: Erwartungen prasseln auf einen ein, die Anforderung, etwas zu leisten und sich gleichzeitig selbst zu verwirklichen – Spaß machen soll das alles ja auch noch! Kein Wunder, dass dieser Druck bei der 20-jährigen Protagonistin Elsa zum Stillstand führt.

Das Exposé überzeugt mit Struktur und Vielschichtigkeit. „Das Lesen wurde mit jeder neuen Ebene spannender“, so eine Teilnehmerin der doku.klasse. Und das, obwohl das Thema als solches sie eher nervt, hat sie doch für sich mit der „Auszeit-Zeit“ abgeschlossen. Auch ein Gruppenmitglied, das aus Syrien nach Deutschland gekommen ist, hatte eine längere Phase, in der es nichts gemacht hat. „Das war total frustrierend! Irgendwann musste ich einfach etwas ändern.“ Doch nicht immer ist es sinnvoll, Orientierungslosigkeit mit Aktivität zu überbrücken, meint eine Teilnehmerin. „Einfach nur dazuliegen und zu denken kann doch genauso produktiv sein.“ Ein Punkt, der Katharina Pethke wichtig ist: „Unsere Zeit lässt es nicht zu, dass man sich mal in Ruhe hinsetzt und nachdenkt. Dabei kann das so wertvoll sein.“ 

Nicht nur ein Luxusproblem

Wie sich diese gesellschaftliche Ebene herausarbeiten lässt, ist für Pethke ein heikler Punkt. „Es geht ja um Elsa. Kann ich mir anmaßen, eine größere Frage darüber zu stellen?“ Andererseits: Nur Elsas Zustand der Starre zu beschreiben, wäre filmisch wahrscheinlich nicht besonders interessant. Die Klasse verweist auf Pethkes frühere Arbeiten, auf ihre starken metaphorischen Bilder. Mit diesem Stil wird sie auch Elsas Situation vermitteln können, ist sich eine Teilnehmerin sicher. Pethke freut sich über das Vorschussvertrauen. „Sehr beruhigend, dass Dir schon klar ist, wie ich den Film machen werde, ich weiß es nämlich noch nicht…“

Noch eine Herausforderung wird benannt: „Wir als Zielgruppe können Elsas Schwierigkeiten nachvollziehen. Aber man muss schon aufpassen, dass man nicht viele andere Leute verliert – die, die selbst gar keine Wahlmöglichkeit haben.“

Elsas Situation zum Problem zu erklären, sei schwierig, wirft ein Gruppenmitglied ein. „Wir argumentieren gerade sehr gesellschaftskonform. Es muss klar sein, dass Elsa nicht einfach als faul abgestempelt werden darf. Dass man nicht von jedem dasselbe Tempo erwarten kann.“ So wie auch in Pethkes Abschlussfilm „Louisa“ deutlich wurde: Hier hat nicht die Person, sondern die Gesellschaft ein Problem.

Bloß kein „Dokumentarfilm-Bingo“

Wer beim Lesen noch gezweifelt hatte, ob die Protagonistin den Film tragen wird, ist nach der Sichtung des Materials überzeugt: „Die ist ziemlich cool. Elsa hat so eine Klarheit.“ Richtig nahe kommt man ihr in der ersten Zusammenstellung des Materials allerdings nicht. Vielleicht sind einfach zu oft Rücken im Bild? Einige vermissen die Intimität der Nahaufnahmen aus „Louisa“. Eine Meinung zur Zeitlupe als Stilmittel? „Eher so semi.“ Und ein Teilnehmer hat Szenen, in denen am Fenster geraucht wird, schon zu oft gesehen: Das sei „Dokumentarfilm-Bingo“ warnt er und rät ab. Kann das Gefühl des Stillstands besser vermittelt werden, wenn man lebendige Bilder als Kontrast einbaut? Ein schöner Hinweis, findet Pethke: Um den Stillstand zu erzählen, muss man Bewegung dagegensetzen.

Wie geht es weiter?

Trotz der kritischen Überlegungen überwiegt klar der Optimismus: „Ich mache mir da gar keine Sorgen“, so eine Bilanz. „Das wird ein guter Film.“ Für die Regisseurin bleiben manche Fragen offen, etwa, wie sie selbst und ihre Familiensituation im Film vorkommen soll. Aber sie hat viel Klarheit gewonnen. „Es muss vor allem um Elsa gehen – ob man Größeres darin lesen möchte, liegt beim Zuschauer.“ Auch eine Idee, wie das Porträt enden soll, steht. Doch eine letzte Frage hat Katharina Pethke noch an die doku.klasse, und die ist zugleich ein Kompliment: „Kann ich mit dem Rohschnitt noch mal zu Euch kommen?“