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Die Referenz erweisen – Wie der Dokumentarfilm Wirklichkeiten verspricht

Endlich mal laut und leidenschaftlich über Dokumentarfilm streiten. So intensiv wie im Frühjahr 2021 war künstlerisches Filmemachen selten auf der medialen Tagesordnung. Allerdings blieben mit der diskursiven Zuspitzung rund um den Film „Lovemobil“ differenzierte Perspektiven auf die Referenzen des Realen schon mal auf der Strecke.

Die Frage, wie sich Wirklichkeit dokumentarisch erzählen lässt und wie wirklich sich im Dokumentarfilm erzählen lässt, stellt sich in der doku.klasse jedes Jahr aufs Neue. Die von Elke Margarete Lehrenkrauss, selbst Stipendiatin mit einem „Ab 18!“-Projekt, ungewollt initiierte Debatte nehmen wir daher zum Anlass, über die Erwartungen an das Dokumentarische weiter im Austausch zu bleiben.

Wir haben Stipendiat*innen aus den letzten neun Jahren eingeladen, ihr Verständnis des filmischen Versprechens von Wirklichkeit entlang der eigenen Arbeit zu reflektieren, im Dialog mit Autor*innen, Kritiker*innen und Filmschaffenden. In den nächsten Wochen veröffentlichen wir auf dem Projektblog Gespräche von Susanne Mi-Son Quester und Herbert Fell, Brigitte Zeitlmann und Florian Baron, Eva Königshofen und Katharina Pethke, Esther Buss und Ivette Löcker, Sven Ilgner und Rosa Hannah Ziegler, Jan Künemund und Andreas Hartmann, Volko Kamensky, Kristina Konrad und Andreas Bolm. Alle „Ab 18!“-Produktionen der Autor*innen, die in Zusammenarbeit mit 3sat entstanden sind, können im Laufe des Herbst 2021 in der Mediathek nachgesehen werden (an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Filmredaktion).

„In dem Moment wo ich Lieferant bin, ist es nicht mehr interessant.“ 

Die Referenz erweisen (1): Den Auftakt machen die Berliner Filmvermittlerin Melika Gothe und der Regisseur Bernd Sahling. Im ersten Teil des Podcasts erzählt der Bundesfilmpreisträger vom Interpretieren des Dokumentaristen, von seinen Vereinbarungen mit Protagonist*innen, der Nähe und Distanz beim Arbeiten ohne Team. 

Im Zweiten Teil geht es um die Entscheidung nicht als Sozialarbeiter oder Dienstleister sondern als Film-Schaffender dokumentarisch zu arbeiten, um die Realitätsflucht im Kinderfilm, der seltsamen Eigenart der „Separierung der Gesellschaft“ und um das Vorbehalten gegenüber alterslosen Filmen. 

 

Melika Gothe ist Projektkoordinatorin der Berlinale-Sektion Generation: ein Programm, mit dem sich das Festival für junges Publikum öffnet und das unter erwachsenen Zuschauer*innen häufig als Geheimtipp gilt. Melika studierte Filmwissenschaften, Französisch und Kulturvermittlung in Mainz, Dijon, Hildesheim und Marseille und hat in dieser Zeit die Festivalarbeit für sich entdeckt, weil hier Austausch und Begegnung im Mittelpunkt stehen. Sie lebt zwischen Berlin und Hannover und forscht zur ästhetischen Konstruktion von Jugend im europäischen Kino am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim.

Bern Sahling drehte 1985 noch als Volontär bei der DEFA seinen ersten Dokumentarfilm über Anna mit dem Titel Ein Lied für Anne.  Auch darauffolgende Filme wie Im Nest der Katze (1991) und Gymnasium oder wir werden sehen (1999) widmete er dem blinden Mädchen. Mit seinem ersten Spielfilm Die Blindgänger (2003/2004) erhielt er etliche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Filmpreis in Gold. Sein Film Kopfüber (2012) erhielt beim Europäischen Filmpreis 2013 eine Nominierung für den EFA Young Audience Award 2013. Zum dokumentieren der Arbeitserfahrungen im Kinderfilmbereich rief Bernd Sahling in Zusammenarbeit mit dem Förderverein deutscher Kinderfilm und dem Festival doxs! unter anderem den doxs!-Festivalpodcast mit Werkstattgesprächen zum Kinderdokumentarfilm ins Leben.